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Ärztliches Gespräch

Wie rede ich mit meinem Arzt bzw. meiner Ärztin?

Eine gute Kommunikation zwischen Patient:innen und den Behandelnden gehört zu den Kernelementen der Krebsbehandlung sowie der Betreuung im Alltag mit der Erkrankung.

Während viele Mediziner:innen früher häufig noch die Auffassung vertraten, die Patient:innen bei der Aufklärung über deren Krebserkrankung möglichst schonen zu müssen, steht heute der Respekt vor der Selbstbestimmung der Patient:innen im Vordergrund.Bachmaier S. Die Krebsdiagnose ein Tabuthema? Im Fokus Onkologie 2021; 24: 42. Härter M et al. Partizipative Entscheidungsfindung und Anwendung von Entscheidungshilfen - Eine Cluster-randomisierte Studie zur Wirksamkeit eines Trainings in der Onkologie. Dtsch Ärztebl Int 2015; 112: 672-679. Dies spiegelt sich auch im Prinzip der informierten, gemeinsamen Entscheidungsfindung, im Englischen „shared decision making“, wider. Sie als Patient:in sollen umfassend über Ihre Erkrankung und Ihre Behandlungsmöglichkeiten informiert werden, damit Sie zusammen mit dem Behandlungsteam über die weiteren Schritte und die für Sie passende Therapie mitentscheiden können.Härter M et al. Partizipative Entscheidungsfindung und Anwendung von Entscheidungshilfen - Eine Cluster-randomisierte Studie zur Wirksamkeit eines Trainings in der Onkologie. Dtsch Ärztebl Int 2015; 112: 672-679. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Sich informieren und entscheiden. Stand: März 2020. Verfügbar unter: https://www.gesundheitsinformation.de/sich-informieren-und-entscheiden.html. Abgerufen am: 20.07.2023.

Dafür bedarf es einer guten Vorbereitung: Im Mittelpunkt stehen dabei verständliche Informationen, die Sie benötigen, um als mündige Patientin oder mündiger Patient auf Augenhöhe und gemeinsam mit dem Arzt oder der Ärztin unter Einbeziehung Ihrer Wünsche und persönlichen Gegebenheiten die für Sie passende Therapie auszuwählen.

Idealerweise besteht dieser Prozess der gemeinsamen Entscheidungsfindung aus den folgenden Schritten:Härter M et al. Partizipative Entscheidungsfindung und Anwendung von Entscheidungshilfen - Eine Cluster-randomisierte Studie zur Wirksamkeit eines Trainings in der Onkologie. Dtsch Ärztebl Int 2015; 112: 672-679. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Sich informieren und entscheiden. Stand: März 2020. Verfügbar unter: https://www.gesundheitsinformation.de/sich-informieren-und-entscheiden.html. Abgerufen am: 20.07.2023. Prostata-Hilfe Deutschland e.V.. Shared Decision Making – Arzt und Patient auf Augenhöhe. Stand: März 2022. Verfügbar unter: https://www.prostata-hilfe-deutschland.de/prostata-news/shared-decision-making-krebsbehandlung-diagnosemethoden. Abgerufen am: 20.07.2023.

  • Ihr Arzt bzw. Ihre Ärztin
    • erläutert Ihnen in einfachen Worten die Diagnose und die Ergebnisse der Untersuchungen,
    • stellt Ihnen alle Behandlungsoptionen mit ihren Vor- und Nachteilen (zum Beispiel möglichen Nebenwirkungen oder Komplikationen) vor und
    • gibt Ihnen Informationen und Entscheidungshilfen an die Hand. Das können zum Beispiel Broschüren über die Erkrankung und ihre Behandlung sein sowie Internetadressen zu entsprechenden Portalen und Selbsthilfegruppen.
  • Sie formulieren klar Ihre Wünsche, Vorstellungen, Ängste und Ihre persönliche Lebenssituation, denn all das spielt eine wichtige Rolle bei der Auswahl der für Sie individuell passenden Therapie.
  • Sie stellen Ihrem Arzt bzw. Ihrer Ärztin alle Fragen, die für Sie wichtig sind und die Sie geklärt haben möchten. Um nichts Entscheidendes zu vergessen, sollten Sie sich auf das Gespräch gut vorbereiten und sich wichtige Fragen am besten vorab aufschreiben. Dazu kann zählen: Was ist über die Erkrankung bekannt? Muss ich für die Behandlung ins Krankenhaus oder kann sie auch ambulant durchgeführt werden? Kann ich mich auf die Therapie vorbereiten und wenn ja, wie?
  • Gemeinsam mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin treffen Sie dann die Entscheidung, welche Behandlung für Sie und individuell die richtige ist.


Tipps

  • Vertrauensperson mitnehmen
    Es kann sehr hilfreich und entlastend sein, vor allem zu dem ersten Diagnose- und Therapiegespräch eine vertraute Person mitzubringen, zum Beispiel eine gute Freundin oder einen guten Freund. Fachleute empfehlen dies ausdrücklich, denn vier Ohren hören mehr als zwei und Sie können nach dem Gespräch miteinander über das Gehörte und Ihre Gefühle sprechen. Das reduziert die Gefahr von Missverständnissen oder falschen Bewertungen. Zudem senkt es die Wahrscheinlichkeit, wichtige Informationen vor Anspannung einfach zu überhören.
  • Zweitmeinung einholen
    Wenn Sie sich unsicher fühlen, welcher der möglichen Behandlungswege der für Sie richtige ist, kann auch eine zweite ärztliche Meinung hilfreich sein. Eine Zweitmeinung einzuholen ist bei einer Krebserkrankung absolut üblich und jeder Arzt bzw. jede Ärztin sollte dafür Verständnis haben. Scheuen Sie sich also nicht, Ihren Wunsch nach einer Zweitmeinung offen anzusprechen. Ihr Arzt bzw. Ihre Ärztin sollte Sie dabei unterstützen und das Nötige in die Wege leiten.
  • Über klinische Studien informieren
    In komplexeren Situationen, zum Beispiel bei einer fortgeschrittenen Krebserkrankung, kann unter Umständen auch die Teilnahme an einer klinischen Studie eine Möglichkeit sein, die Krankheit besser zu kontrollieren. Weitere Informationen zu klinischen Studien bei Krebs erhalten Sie hier.

Reden tut gut – das sagt auch die Wissenschaft

Der Stellenwert der Kommunikation zwischen Patient:innen mit Krebs und Arzt oder Ärztin ist schon lange Gegenstand der Forschung. Reden tut gut! Das haben Sie als Betroffene:r vermutlich schon intuitiv gespürt. Und es lässt sich auch wissenschaftlich untermauern. So haben Studien einen klaren Zusammenhang zwischen einer gelungenen Kommunikation, die an den spezifischen Bedürfnissen der Patient:innen ausgerichtet ist (patient:innen-zentrierte Kommunikation), und vielfältigen positiven Auswirkungen auf den Gesundheitszustand gezeigt.Härter M et al. Partizipative Entscheidungsfindung und Anwendung von Entscheidungshilfen - Eine Cluster-randomisierte Studie zur Wirksamkeit eines Trainings in der Onkologie. Dtsch Ärztebl Int 2015; 112: 672-679. National Cancer Institute: Communication in Cancer Care (PDQ®)–Health Professional Version. Verfügbar unter: https://www.cancer.gov/about-cancer/coping/adjusting-to-cancer/communication-hp-pdq#section_2.2. Abgerufen am: 20.07.2023. Ong LM et al. Doctor–Patient communication and cancer patients’ quality of life and satisfaction. Patient Educ Couns 2000;41:145-156. Zachariae R et al. Association of perceived physician communication style with patient satisfaction, distress, cancer-related self-efficacy, and perceived control over the disease. Br J Cancer 2003; 88: 658-65, 2003. Lee JW et al. The Association Doctor-Patient Communication and Cancer Patients’ Satisfaction. Korean J Fam Pract 2017; 7: 731-736. Lorusso D et al. Patients' perception of chemotherapy side effects: Expectations, doctor-patient communication and impact on quality of life - An Italian survey. Eur J Cancer Care (Engl) 2017; 26: 26(2). doi: 10.1111/ecc.12618. Epub 2016 Dec 22. Nakayama K et al. Shared decision making, physicians’ explanations, and treatment satisfaction: a cross-sectional survey of prostate cancer patients. BMC Med Inform Decis Mak 2020; 20: 334. Pozzar RA, Xiong N, Hong F et al. Perceived patient-centered communication, quality of life, and symptom burden in individuals with ovarian cancer. Gynecol Oncol 2021; 163: 408-418. Kehl KL et al. Association of actual and preferred decision roles with patient-reported quality of care: Shared decision making in cancer care. JAMA Oncol 2015; 1: 50-58. Mack JW et al. Communication About Prognosis With Adolescent and Young Adult Patients With Cancer: Information Needs, Prognostic Awareness, and Outcomes of Disclosure. J Clin Oncol 2018; 36: 1861-1867. Shin JA et al. Quality of Life, Mood, and Prognostic Understanding in Patients with Metastatic Breast Cancer. J Palliat Med 2016; 19: 863-869. Jacobs JM, Pensak NA, Sporn NJ et al. Treatment Satisfaction and Adherence to Oral Chemotherapy in Patients With Cancer. J Oncol Pract 2017; 13 e474-e485. Lin JJ et al. Patient-provider communication and hormonal therapy side effects in breast cancer survivors. Women Health 2017; 57: 976-989.

Lebensqualität und Patient:innen-Zufriedenheit

Eine gute ärztliche Kommunikation hat messbar positive Effekte auf die Lebensqualität und Zufriedenheit von Patient:innen mit Krebs: So berichteten die Befragten mit verschiedenen Tumorerkrankungen in zahlreichen Studien einhellig, dass sich ihre Lebensqualität durch die aus ihrer Sicht gute Kommunikation im Sinne der gemeinsamen Entscheidungsfindung („shared decision making") verbessert habe.National Cancer Institute: Communication in Cancer Care (PDQ®)–Health Professional Version. Verfügbar unter: https://www.cancer.gov/about-cancer/coping/adjusting-to-cancer/communication-hp-pdq#section_2.2. Abgerufen am: 20.07.2023.  Ong LM et al. Doctor–Patient communication and cancer patients’ quality of life and satisfaction. Patient Educ Couns 2000;41:145-156. Zachariae R et al. Association of perceived physician communication style with patient satisfaction, distress, cancer-related self-efficacy, and perceived control over the disease. Br J Cancer 2003; 88: 658-65, 2003. Lee JW et al. The Association Doctor-Patient Communication and Cancer Patients’ Satisfaction. Korean J Fam Pract 2017; 7: 731-736. Lorusso D et al. Patients' perception of chemotherapy side effects: Expectations, doctor-patient communication and impact on quality of life - An Italian survey. Eur J Cancer Care (Engl) 2017; 26: 26(2). doi: 10.1111/ecc.12618. Epub 2016 Dec 22. Nakayama K et al. Shared decision making, physicians’ explanations, and treatment satisfaction: a cross-sectional survey of prostate cancer patients. BMC Med Inform Decis Mak 2020; 20: 334. Pozzar RA, Xiong N, Hong F et al. Perceived patient-centered communication, quality of life, and symptom burden in individuals with ovarian cancer. Gynecol Oncol 2021; 163: 408-418.

 

Als besonders wichtig und wohltuend empfanden die Befragten dabei, dass Arzt oder Ärztin ihnen einfühlsam und empathisch zuhören, auf ihre Gefühle, Ängste sowie Unsicherheiten eingehen und sich ausreichend Zeit für das Gespräch und die Beantwortung von Fragen nehmen - etwa zur Erkrankung selbst, zur Diagnose, zur Behandlung oder zum Leben mit dem Krebs nehmen. Auch das soziale, familiäre, emotionale und funktionale Wohlbefinden konnte durch patient:innen-zentrierte Kommunikation deutlich gesteigert werden.Pozzar RA, Xiong N, Hong F et al. Perceived patient-centered communication, quality of life, and symptom burden in individuals with ovarian cancer. Gynecol Oncol 2021; 163: 408-418. Umgekehrt waren Patient:innen mit der Betreuung und Behandlung insgesamt weniger zufrieden, wenn die Entscheidungen nicht gemeinsam im Team, sondern allein von den Behandelnden gefällt wurde.Kehl KL et al. Association of actual and preferred decision roles with patient-reported quality of care: Shared decision making in cancer care. JAMA Oncol 2015; 1: 50-58.

Angst- und Symptomkontrolle

Eine weitere Studie zeigte, dass ängstliche und depressive Symptome bei Patient:innen in Gesprächen mit dem Arzt oder Ärztin deutlich reduziert werden können, wenn diese auf deren Bedürfnisse ausgerichtet ist.Härter M et al. Partizipative Entscheidungsfindung und Anwendung von Entscheidungshilfen - Eine Cluster-randomisierte Studie zur Wirksamkeit eines Trainings in der Onkologie. Dtsch Ärztebl Int 2015; 112: 672-679. Auch an Krebs erkrankte Jugendliche und junge Erwachsene gaben an, gelassener und weniger belastet zu sein sowie seltener an Depressionen oder Angstzuständen zu leiden, wenn sie von ihrem Arzt oder ihrer Ärztin umfassende medizinische Informationen zu Prognose und Heilungswahrscheinlichkeit erhielten.Mack JW et al. Communication About Prognosis With Adolescent and Young Adult Patients With Cancer: Information Needs, Prognostic Awareness, and Outcomes of Disclosure. J Clin Oncol 2018; 36: 1861-1867. Das traf auch in einer Studie an Frauen mit Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium zu, bei denen häufige Gespräche zur Prognose mit ihrem behandelnden Arzt bzw. ihrer Ärztin mit weniger Depressionen verbunden waren.Shin JA et al. Quality of Life, Mood, and Prognostic Understanding in Patients with Metastatic Breast Cancer. J Palliat Med 2016; 19: 863-869. Eine patient:innen-zentrierte Kommunikation stand zudem im direkten Zusammenhang mit einer geringeren Symptombelastung bei Patientinnen mit Eierstockkrebs.Pozzar RA, Xiong N, Hong F et al. Perceived patient-centered communication, quality of life, and symptom burden in individuals with ovarian cancer. Gynecol Oncol 2021; 163: 408-418.

Therapietreue und Verträglichkeit 

Patient:innen mit Krebs, die mit der Kommunikation mit ihrer Ärztin oder mit ihrem Arzt zufrieden waren, zeigten zudem eine bessere Therapietreue.Jacobs JM, Pensak NA, Sporn NJ et al. Treatment Satisfaction and Adherence to Oral Chemotherapy in Patients With Cancer. J Oncol Pract 2017; 13 e474-e485. Umgekehrt war die Wahrscheinlichkeit für Nebenwirkungen bei denjenigen Frauen mit der Diagnose Brustkrebs größer, die Schwierigkeiten hatten, ihren Arzt oder ihre Ärztin um mehr Informationen zu bitten, um ihr Wissen darüber auszubauen.Lin JJ et al. Patient-provider communication and hormonal therapy side effects in breast cancer survivors. Women Health 2017; 57: 976-989. Die Ergebnisse zeigen: Eine gelungene Kommunikation zwischen Patient:innen, Angehörigen und Behandelnden kann eine wichtige Säule für den Erfolg der Therapie sein.

Gesprächsimpulse

Über Krebs zu reden, fällt oft schwer. Um einen Einstieg ins Gespräch und die richtigen Worte zu finden, haben wir einige Anregungen für unterschiedliche Situationen im Umgang mit der Erkrankung zusammengestellt.